In unserer Kolumne berichten wir regelmäßig über die Tücken, Freuden und Leiden des Business-Lebens. Wie der Name Kolumne schon sagt, geht es hier um die persönliche Meinung des Autors und nicht um eine wissenschaftliche Abhandlung über das Paarungsverhalten der Schnabelbrust-Schildkröte. Ein Falsch oder Richtig gibt es also nicht!
Ich habe aufgehört zu zählen, seit wie vielen Wochen wir nun zu Hause sind. Sind es 5 Wochen? Sind es 6 Wochen? Ich habe keine Ahnung. Seit heute dürfen auch hier in Bayern wieder Geschäfte mit bis zu 800 qm öffnen. Nach und nach kehrt etwas Normalität zurück. Von “normal” sind wir aber noch ganz weit entfernt. In den letzten Tagen und Wochen habe ich oft darüber nachgedacht, wie diese Krise die Menschen verändert hat – und noch verändern wird. Auch Guido Paar hat sich diese Frage in unserem Livetalk gestellt: Mit welchen Menschen haben wir es nach Corona zu tun? Einen Teil dieser Frage kann ich schon jetzt beantworten: Mit Menschen, die das Friseurhandwerk wieder schätzen gelernt haben! Und natürlich Klopapier, Mehl und Hefe…
Ich habe Menschen selten so verzweifelt erlebt wie in den letzten Wochen. Und ich rede hier nicht von gravierenden Themen wie Jobverlust, Kurzarbeit oder Existenzängsten, sondern viel mehr von Haaren, Nägeln oder Augenbrauen. Vor allem von Haaren. Es vergeht kein Tag, an dem mein Mann sich nicht über seine wachsende Haarpracht aufregt und aus Verzweiflung schon mehrfach an dem Punkt war, selbst zur Schere zu greifen. Es aber – vermutlich glücklicherweise – nicht getan hat. Gestern habe ich mit meiner Oma telefoniert. Auch sie hat eine gute Viertelstunde ihrem Ärger über ihre rauswachsende Dauerwelle Luft gemacht. Letzte Woche habe ich mit meiner Mädelstruppe geskypt und bestimmt eine gute halbe Stunde Tipps und Tricks ausgetauscht, wie man am besten dem Mann die Haare selber schneidet. Inkl. genauer Begutachtung eines Versuchsobjekts. Und auch das Internet ist gerade voll von lustigen Memes zum Thema Haare.
„Wer hätte vor einem halben Jahr gedacht, dass man sich mal so sehr nach einem Friseurbesuch sehnen könnte – mehr als nach einer kühlen Maß im Biergarten oder einem guten Steak im Restaurant?“
Wenn etwas plötzlich nicht mehr möglich ist, wird einem bewusst, wie sehr man doch darauf angewiesen ist. Natürlich ist ein guter Haarschnitt nicht lebensnotwendig. Aber für viele ist er unverzichtbar. Er gehört zu einem gepflegten Äußeren nun mal dazu. Wer hätte vor einem halben Jahr gedacht, dass man sich mal so sehr nach einem Friseurbesuch sehnen könnte – mehr als nach einer kühlen Maß im Biergarten oder einem guten Steak im Restaurant? Plötzlich wird vielen Menschen bewusst: Das kann ich nicht selbst! Hier gibt es keinen Plan B! Eine Dienstleistung wie diese lässt sich nicht einfach ersetzen – wie ein Shoppingbummel durch eine Online-Shopping-Session oder der Fitnessstudiobesuch durch Online-Workouts. Ein Friseur kann dir nicht einfach virtuell per Zoom oder Hangout die Haare schneiden. Und spätestens beim ersten Selbstversuch aus purer Verzweiflung wurde auch dem Letzten bewusst: So einfach, wie das aussieht, ist es nicht!
„Wenn etwas plötzlich nicht mehr möglich ist, wird einem bewusst, wie sehr man doch darauf angewiesen ist.“
Und auf einmal ist sie wieder da, die Wertschätzung für das Friseurhandwerk. Vor einiger Zeit hatte ich an dieser Stelle noch darüber geschrieben, wie sehr das Handwerk unterschätzt wird und dass es mehr Anerkennung verdient hat. Brauchte es dafür wirklich so ein mieses Virus? Es scheint leider so. Zu wünschen wäre auch, dass diese neue Wertschätzung nicht erneut auf Nimmerwiedersehen verschwindet. Wer in ein paar Monaten wieder über zwei Euro Preiserhöhung meckert, sollte sich die letzten Wochen ins Gedächtnis rufen. Oder wie es meine Omi so schön gesagt hat: “Kind, ich habe noch nie so furchtbar ausgesehen! Wenn das der Opa noch sehen könnte…” In diesem Sinne: Lasst uns die neue Wertschätzung – und natürlich den 04. Mai feiern!
Ja, und die Moral von der Geschicht’: Vergraul dir deinen Friseur nicht! Oder so ähnlich… Liebe Friseure, nutzt die Wertschätzung eurer Kunden. Wenn ihr nicht eh schon für die nächsten Wochen ausgebucht seid, dann macht eure Kunden darauf aufmerksam, wie wichtig es ist, dass sie euch jetzt unterstützen. Ihr sollt auch nicht auf den Kosten für die umfangreichen zusätzlichen Hygienemaßnahmen sitzen bleiben, die ihr auf euch nehmen müsst. Bittet um eine kleine Spende für die “Hygiene-Kasse” oder denkt über eine “Hygiene-Aufschlag” nach. Es kommt nur auf die richtige Kommunikation an. Vielleicht haben eure Kunden nach den letzten Wochen auch noch weniger Lust auf Hektik und nutzen den Friseurbesuch noch mehr als kleine Auszeit – das hatte Guido Paar übrigens im Livetalk vermutet. Dann könntet ihr für die Zukunft über längere Bedienzeiten oder vielfältigere Zusatzleistungen nachdenken. Und gebt die Wertschätzung, die euch eure Kunden entgegenbringen, zurück!