Frau, die sich fragt, wie echt ein dienstleister sein darf
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Kolumne: Wie “echt” dürfen Dienstleister sein?

In unserer Kolumne berichten wir regelmäßig über die Tücken, Freuden und Leiden des Dienstleister-Lebens. Wie der Name Kolumne schon sagt, geht es hier um die persönliche Meinung des Autors und nicht um eine wissenschaftliche Abhandlung über das Paarungsverhalten der Schnabelbrust-Schildkröte. Ein Falsch oder Richtig gibt es also nicht!

Es ist ein sonniger Samstagmorgen und ich sitze beim Friseur. Nachdem ich mit dem letzten Färbe-Ergebnis mehr als unglücklich war, habe ich mich dieses Mal für einen anderen Salon entschieden. Die Kundenbewertungen waren gut, die Preise im Rahmen und so bin ich auf dem Stuhl von Lena (Name von der Redaktion geändert) gelandet. Es startet vielversprechend. Der Salon ist modern eingerichtet, alles ist tiptop sauber und Lena begrüßt mich mit einem freundlichen Lächeln. Schnell ist geklärt, was ich mir frisurtechnisch vorstelle und wir starten mit dem typischen Friseur-Smalltalk: Wie ist das Wetter so? Wo kommst du her? Was machst du so?

“Ich muss aufpassen, dass ich mich nicht an meinem Cappuccino verschlucke. Mir entgleisen die Gesichtszüge. Doch das war noch nicht alles, Lena kommt jetzt erst richtig in Fahrt…”

Dann kommen wir auf die Stadtviertel zu sprechen, in denen wir wohnen. Und damit beginnt das Desaster. Lena ist aktuell gar nicht zufrieden mit ihrem Wohnviertel, denn dort – O-Ton meiner Friseurin – “Leben ja nur noch Kanacken.” Ich muss aufpassen, dass ich mich nicht an meinem Cappuccino verschlucke. Mir entgleisen die Gesichtszüge. Doch das war noch nicht alles, Lena kommt jetzt erst richtig in Fahrt: “Und stell dir vor, jetzt haben die dort ernsthaft noch ein Flüchtlingsheim hingesetzt. Ja spinnen die denn! Die sollen bloß sehen, dass sie schnell wieder wegkommen – dorthin, wo sie hergekommen sind!” Ich bin so perplex, dass ich gar nicht weiß, was ich sagen soll. Weghören? Meinung sagen? Ich entscheide mich für Themenwechsel. An einem Samstagmorgen um 10 habe ich wirklich keine Lust mit einer wildfremden Person, die ich seit gerade einmal 10 Minuten kenne und die in dem Falle auch noch die Macht über meine Haarfarbe besitzt, über Flüchtlingspolitik zu diskutieren. Schlagartig will ich das Ganze einfach nur noch schnell hinter mich bringen und bin froh, als ich eine Stunde später endlich fertig bin. Schnell schnappe ich mir meine Sachen, bezahle und verlasse den Salon – auf Nimmerwiedersehen!

“Du bist immer noch im Friseursalon oder Kosmetikstudio und nicht im Bundestag oder beim Stammtisch.”

Wir sind doch nicht beim Stammtisch!

Warum ich mich für dieses Kolumnenthema entschieden habe? Ganz einfach: Weil Lena kein Einzelfall ist. Viele Dienstleister verbringen einige Stunden mit ihren Kunden und da gehört Konversation einfach dazu. Doch dabei gibt es gewisse Grenzen. Natürlich sollen Dienstleister sich dem Kunden gegenüber nicht verstellen und sie selbst sein, aber bestimmte Themen wie Politik und Religion haben in einem Smalltalk einfach nichts verloren. Sie sind mit starken Gefühlen verbunden und eine hitzige Diskussionsrunde ist vorprogrammiert. Du bist immer noch im Friseursalon oder Kosmetikstudio und nicht im Bundestag oder beim Stammtisch. Jetzt kann es natürlich auch vorkommen, dass dein Kunde auf ein brisantes Thema zu sprechen kommt. In diesem Fall solltest du das Gespräch möglichst schnell wieder auf eine sachliche Ebene bringen.

“Aber du schneidest dir ins eigene Fleisch, wenn du einen Kunden mit einer hitzigen Meinungsverschiedenheit vergraulst. “

Zu viel. Zu wenig. Zu privat. Zu distanziert.

Ich gebe zu: Dienstleister haben es echt nicht leicht, wenn es um das Thema Konversation gibt. Sie sollen nicht zu wenig reden, aber auch nicht zu viel. Sie sollen gerne ein paar private Infos preisgeben, aber genau die richtigen. Das kann verwirren! Dann kommt es auch noch darauf an, wie gut du dein Gegenüber kennst. Mit langjährigen Stammkunden wirst du über ganz andere Themen sprechen als mit einem Neukunden. Und das ist auch vollkommen in Ordnung. Aber grundsätzlich gilt: Sprich über positive Dinge, gib nur unverfängliche persönliche Infos preis, meide brisante Themen wie Politik oder Religion. Das hat nichts damit zu tun, dass deine Meinungsfreiheit als Dienstleister eingeschränkt ist – auf gar keinen Fall! Aber du schneidest dir ins eigene Fleisch, wenn du einen Kunden mit einer hitzigen – oder stillen – Meinungsverschiedenheit vergraulst.

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